Lars Klingbeil steht am Beginn einer großen Finanzmission. Seit neun Tagen ist er Finanzminister und muss nun zwei wichtige Haushalte auf den Weg bringen. Die Steuerschätzung gibt erste Zahlen vor, doch Klingbeil hat kaum Zeit, sich einzulesen. Er will von Anfang an handeln, denn viele Vorhaben der Koalition hängen vom Haushalt ab. Seit Monaten regiert die Bundesregierung mit einem vorläufigen Etat. Das schränkt neue Projekte ein. Der Haushalt 2025 soll am 25. Juni im Kabinett beschlossen und vor der Sommerpause im Bundestag beraten werden. Der endgültige Beschluss ist für September geplant. Das ist ein sehr ambitionierter Zeitplan, denn nach der Steuerschätzung beginnen harte Verhandlungen. Minister wollen sich profilieren, und Klingbeil muss trotz neuer Schuldenregeln den Etat zusammenhalten.
Der zweite Haushalt für 2026 wird noch schwieriger. Ohne Vorarbeit des Vorgängers muss Klingbeil mit den Ministern über Prioritäten verhandeln. Es gibt einen Finanzierungsvorbehalt, viele Projekte sind nicht komplett finanzierbar. Trotz einer neuen Schuldenregel für Verteidigung und eines 500-Milliarden-Euro-Sonderfonds für Infrastruktur fehlt Geld. Die Grünen haben durchgesetzt, dass der Sonderfonds nur für neue Investitionen genutzt werden darf. Klingbeil muss daher auch schlechte Nachrichten übermitteln. Als „Investitionsminister“ will er die Infrastrukturmittel schnell einsetzen. Doch Experten warnen vor Konflikten mit EU-Schuldenregeln. Deutschland hatte diese Regeln 2023 verschärft und muss nun auf Zugeständnisse aus Brüssel hoffen. Wie das Geld tatsächlich fließt, bleibt eine Herausforderung, denn bei Bundesprogrammen gab es oft Verzögerungen.
Klingbeil möchte die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen. Noch vor dem Sommer sollen Gesetze zur Senkung der Energiepreise und zur Förderung von Investitionen vorgelegt werden. Der Koalitionsvertrag sieht Sonderabschreibungen von 30 Prozent auf Investitionen vor, um Unternehmen zu entlasten. Andere wichtige Reformen, wie eine Senkung der Unternehmenssteuer und eine Einkommensteuerreform ab 2028, sind noch offen. Auch steuerliche Anreize für Rentner, die länger arbeiten, sind nicht geklärt.
Die Ernennung von Klingbeil zum Finanzminister hat auch eine politische Bedeutung. Das Ministerium ist gleichzeitig das Vizekanzleramt. Nach dem schlechten Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl setzt der Parteichef auf Klingbeil. Er hat sein Team mit Vertrauten besetzt und übernimmt die Führung in Partei und Regierung. Hinter den Kulissen bereitet Klingbeil seine Kanzlerkandidatur für 2029 vor. Ex-Kanzler Olaf Scholz hatte das Finanzministerium ebenfalls als Sprungbrett genutzt. Trotz Kritik innerhalb der SPD wächst Klingbeils Beliebtheit in der Öffentlichkeit. Er ist laut einer Umfrage der zweitbeliebteste Politiker nach Verteidigungsminister Boris Pistorius.