Die Ukraine und Russland haben ihren bisher größten Gefangenenaustausch seit Beginn des Krieges vor über drei Jahren fortgesetzt. Am Sonntag sollten über 300 Gefangene freikommen, als Teil der letzten Phase der Vereinbarung. Gleichzeitig kam es zu massiven russischen Drohnen- und Raketenangriffen auf mehrere ukrainische Städte, bei denen in Kiew mindestens drei Menschen getötet und mehr als zehn verletzt wurden.
Der Austausch wurde am 16. Mai bei den ersten direkten Gesprächen zwischen Moskau und Kiew seit 2022 vereinbart. Beide Seiten einigten sich darauf, jeweils 1.000 Gefangene freizulassen. Am Freitag wurden 390 Menschen freigelassen, am Samstag weitere 307. Der Sonntag bildete den Abschluss der dritten Phase.
In der jüngsten Angriffswelle trafen russische Drohnen in der Nacht Kiew. Drei Menschen kamen ums Leben, mehrere weitere wurden verletzt, darunter vier in einem Studentenwohnheim. Auch Städte wie Charkiw, Mykolajiw und Odessa wurden von Drohnen getroffen. In Odessa erfolgten die Angriffe in mehreren Wellen aus verschiedenen Richtungen, wie ukrainische Berichte meldeten.
Russische Streitkräfte feuerten zudem Kalibr-Marschflugkörper von Schiffen im Schwarzen Meer und von Bombern des Typs Tu-95 und Tu-160 ab. Die Ziele der Raketen wurden nicht bekannt gegeben. Diese Angriffe folgten auf eine vorherige Angriffswelle, bei der 15 Menschen verletzt und zahlreiche Brände in Kiew ausgelöst wurden. Die ukrainische Luftabwehr verzeichnete in jener Nacht rund 250 Drohnen- und Raketenangriffe.
Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, dass in dieser letzten Phase des Austauschs die restlichen der vereinbarten 1.000 Gefangenen nach Hause zurückkehren sollen. Viele seien bereits 2022 gefangen genommen worden, vor allem in der Region Donezk. Weitere seien in den Gebieten Cherson, Saporischschja, Charkiw und Luhansk in russische Gefangenschaft geraten. Insgesamt seien bislang 697 ukrainische Gefangene zurückgekehrt.
Auch Russland erhielt 697 Gefangene zurück, darunter sowohl Soldaten als auch Zivilpersonen. Laut Verteidigungsministerium in Moskau wurden die Rückkehrer zunächst nach Belarus gebracht und von dort aus zur medizinischen Versorgung weiter nach Russland.
Russland kündigte zudem an, der Ukraine in den kommenden Tagen ein Memorandum zur Beendigung des Krieges zu übergeben. Das Dokument befinde sich in der Schlussphase, so russische Vertreter. Es soll nicht öffentlich gemacht werden, sondern als Grundlage für zukünftige Verhandlungen dienen. Präsident Wladimir Putin hatte dieses Memorandum nach einem Telefonat mit dem US-Präsidenten angekündigt. Es soll sowohl die Ursachen des Konflikts als auch den möglichen Weg zu einem Waffenstillstand enthalten.
Präsident Selenskyj lehnte jedoch einen Rückzug der ukrainischen Truppen aus den von Russland beanspruchten Gebieten ab. Diese umfassen Teile von Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja, die Moskau als eigenes Staatsgebiet betrachtet. Gleichzeitig erklärte Selenskyj, dass die Ukraine offen sei für diplomatische Lösungen, die echte Sicherheit bringen.
Er forderte stärkeren Druck der USA, Europas und anderer Länder, um Russland zu einem echten Frieden zu bewegen. Außerdem verlangte er erneut schärfere Sanktionen gegen Moskau. Trotz laufender Gespräche und Austauschaktionen geht der Krieg ohne ein klares Ende weiter.