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Unbegleitete Geflüchtete sind häufig psychiatrisch auffällig – Ein Gespräch mit Andreas Krüger

by Hamburger Allgemeine
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Unbegleitete Geflüchtete sind häufig psychiatrisch auffällig – Ein Gespräch mit Andreas Krüger

Andreas Krüger, ein Fachmann im Bereich der psychiatrischen Versorgung von Geflüchteten, arbeitet mit den schwersten Fällen von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen. In einem Interview erklärt er, warum diese jungen Menschen oft psychiatrische Auffälligkeiten zeigen und welche Traumata sie durchleben müssen. Diese Kinder, die ohne ihre Eltern aus Kriegsgebieten fliehen, haben oft intensive seelische Wunden, die nicht sofort sichtbar sind.

Hintergrund der Situation

Unbegleitete Geflüchtete sind in Deutschland mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Sie fliehen aus Kriegs- oder Krisengebieten und kommen ohne familiäre Begleitung an. „Diese Kinder erleben in ihrem jungen Leben bereits mehr als die meisten Erwachsenen“, erklärt Andreas Krüger, der in Hamburg als Psychiater für Geflüchtete arbeitet. „Häufig sind sie traumatisiert, leidend unter den Erlebnissen von Krieg, Gewalt und Verlust.“

Im Interview betont Krüger, dass es oft nicht nur um die körperlichen, sondern vor allem um die psychischen Folgen der Flucht geht. Diese Kinder und Jugendlichen sind aufgrund ihrer Erfahrungen in einer ständigen emotionalen Notlage. „Die psychischen Symptome können vielfältig sein, von Angststörungen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen“, so Krüger weiter.

Psychische Belastung der unbegleiteten Kinder

Was passiert in den Köpfen dieser Kinder? Krüger erklärt, dass die traumatischen Erlebnisse der Flucht oft dazu führen, dass diese jungen Menschen Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren. Sie erleben eine ständige Alarmbereitschaft und haben oft das Gefühl, in einer feindlichen Welt zu leben. „Viele dieser Kinder reagieren mit aggressivem Verhalten, das als Schutzmechanismus dient“, erläutert der Experte.

Die Flucht aus den Heimatländern ist für viele dieser Kinder mit Erlebnissen verbunden, die sie in ihrer Entwicklung massiv beeinträchtigen. „Die Kinder haben häufig Gewalt gesehen, aber auch erlitten, sie haben ihre Familien verloren oder wurden während der Flucht ausgenutzt“, sagt Krüger. Die psychischen Folgen dieser Erlebnisse sind nicht nur kurzfristig, sondern beeinflussen die Entwicklung dieser jungen Menschen langfristig.

Die Herausforderung der Integration

Für die betroffenen Kinder ist die Integration in die Gesellschaft eine zusätzliche Hürde. Viele von ihnen sprechen kein Deutsch und haben oft keine stabile soziale Anbindung. „Die Integration ist nicht nur eine sprachliche, sondern auch eine psychische Herausforderung“, so Krüger. „Ohne die nötige Unterstützung können sich die psychischen Probleme weiter verschärfen.“

Die Fachkräfte in Hamburg setzen daher verstärkt auf traumapädagogische Konzepte, um den Geflüchteten zu helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. „Die Unterstützung muss individuell auf jedes Kind abgestimmt werden“, betont Krüger. Therapeutische Angebote sowie spezielle Bildungsprogramme sind essentiell, um diesen jungen Menschen die Chance zu geben, ein stabiles Leben in der neuen Gesellschaft zu führen.

Der Umgang mit Traumatisierungen

Traumatisierte Geflüchtete benötigen oft eine langfristige Begleitung. Krüger erklärt, dass in vielen Fällen eine frühzeitige Traumabehandlung der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration ist. „Es geht darum, den Kindern und Jugendlichen einen sicheren Raum zu bieten, in dem sie ihre Erlebnisse verarbeiten können, ohne dass dies ihre gesamte Zukunft belastet“, erklärt er.

In vielen Fällen wird eine Behandlung durch Psychotherapeuten notwendig, die auf Traumafolgestörungen spezialisiert sind. Doch der Zugang zu solchen Angeboten ist nicht immer einfach. „Es gibt zu wenig qualifizierte Fachkräfte, die sich intensiv mit den psychischen Bedürfnissen dieser Gruppe auseinandersetzen“, sagt Krüger.

Die Arbeit mit unbegleiteten Geflüchteten ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Andreas Krüger zeigt auf, dass diese Kinder und Jugendlichen nicht nur aus ihrer Heimat vertrieben wurden, sondern auch tiefgreifende seelische Wunden davongetragen haben. Es ist wichtig, ihre Geschichten zu hören und ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten, um ihnen zu helfen, ihre Traumata zu überwinden und ein neues Leben in Deutschland zu beginnen.

Die Herausforderungen sind groß, aber mit der richtigen Unterstützung können auch diese Kinder und Jugendlichen einen Weg in ein stabiles und selbstbestimmtes Leben finden. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Fachkräfte in diesem Bereich ausgebildet werden und dass die psychologische Betreuung für unbegleitete Geflüchtete weiter ausgebaut wird.

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